Hätte man Disney in die Horror-Parallelwelt der Serie Stranger Things entführt, wäre bestimmt ein ähnliches Werk herausgekommen: Ich liebe dieses Buch und konnte es nach einem etwas dahinplätschernden Anfang gar nicht mehr weglegen!
T. Kingfishers Roman “Wie man einen Prinzen tötet” liest sich fast wie ein modernes Märchen. Fast. Denn die Story ist auf eine skurrile Art und Weise sehr modern, spannend und ausgesprochen witzig. Darüber hinaus sind viele Elemente im Buch, die besser zu einem Horrorfilm als zu den Gebrüdern Grimm passen würden.
Beispielsweise entspricht der Prinz, um den es schon im Buchtitel geht, so gar nicht der lieblichen Disney-Heldenversion, die wir alle im Kopf haben. Er ist vielmehr ein sadistischer Pedant, der seine Ehefrauen misshandelt und um die Ecke bringt, wenn diese nicht ihre Pflicht erfüllen und einen Thronfolger gebären. Deshalb will Marra, drittgeborene Prinzessin einen kleinen Königreichs, ihn auch nicht küssen, sondern killen.
Fuck the Prinzen-Patriarchat.
Wir steigen in die Geschichte ein, als sich Marra durch ein böses, dunkles Land kämpft, so eines mit Haufen von dunklen Ecken und bösen Gestalten. Sie will ihre Schwester Kania retten, weil es schlicht und ergreifend sonst keiner tut. Denn Marra musste bereits untätig in Kauf nehmen, dass ihre Eltern zum Wohle des Königreichs die älteste Schwester der beiden und nach deren Tod auch Kania an den sadistischen Thronfolger des benachbarten Reiches verheiratet haben.
Als Marra Verletzungen an der verzweifelten Kania wahrnimmt, die darauf hindeuten, dass Vorlings Frauen nicht unter natürlichem Umständen zu Tode kommen, beschließt sie ihre Schwester aus der Gewaltehe herauszuholen, solange es noch geht. Aus Liebe, und weil Marra sich an zwei hochwohlgeborenen Fingern abzählen kann, wer wohl die nächste Prinzessin nach Kania wäre, die in einer Ehe mit Vorling zum Wohle des Reiches draufgeht.
Prinzessinnen leben gefährlich in diesem Buch. Deshalb muss die letzte mutig sein.
Prinz schlägt und tötet Frau – und kommt damit durch. Das hört sich frustrierend realistisch an, ist im Buch aber in eine ideenreiche, magische Geschichte verpackt, in der gleich mehrere illustre Gestalten sich zusammentun, um die Machtverhältnisse zum Guten zu verändern. Dabei sind die Parallelen eines vermeintlichen Märchenprinzen, der sich wahllos Frauen aus der Menge zieht, sie misshandelt und förmlich wegwirft, zu heutigen Machtinhabern aus der Pop- oder Führungskultur wohl nicht von der Hand zu weisen.
Knochenhund, Staubfrau, Fee und eine Menge mehr oder weniger tote Skelette …
Wir lernen eine Staubfrau kennen, deren Patzigkeit einfach herzerwärmend ist und die mit den Toten reden kann. Wir verfolgen ein Huhn, das eigentlich ein Dämon ist und tollen mit einem Knochenhund herum. Wir verzweifeln mit einer guten Fee, weil sie viel besser darin ist, eine böse Fee zu sein. Natürlich tritt irgendwann auch ein Held auf den Plan, aber dieser trägt weder ein Prinzengewand, noch macht er schöne Worte. Er ist ein Mann von Ehre mit einem dunklen Geheimnis, wie sich das für eine gute Story gehört.
Und wenn der Prinz gestorben ist, dann leben sie noch heute …
Ich liebe die Story um Marra, die den Spieß umdreht und sich wehrt, auch wenn der Gegner viel zu mächtig und das ganze Unterfangen total aussichtslos erscheint. Der wüste Roadtrip des illustren Prinzessinnen-Rettungstrupps ist ein total bewegendes Vergnügen. Einfach alles in diesem Roman hat mich gefesselt, und ich war echt traurig, als ich ihn zu Ende gelesen hatte. Kennt ihr das, wenn man sich dabei ertappt, sich noch Wochen später zu fragen, wie es den Romanfiguren wohl gerade geht? So ein Roman ist das.
Also unbedingt lesen, besonders wenn du ein Fan von Büchern wie The Stranger Times oder Serien wie Stranger Things bist. Übersetzt wurde das Buch von Jasmin Schreiber, deren Bücher – wie etwa Marianengraben und Schreibers Naturarium – ich dir auch direkt ans Herz legen möchte.