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Kategorie: Lifestyle

Das blühende Leben ab 50.

13. April 2023

Letzten Sommer ist noch mal mein ganzes Leben an mir vorbeigezogen. Nein, huch, nicht wie du jetzt denkst, sondern durchaus im positiven Sinne: Ich habe in einem Vergnügungspark bei schönstem Herbstwetter in einem Kettenkarussell gesessen, und mir sind die Tränen gekommen. Vor Glück. 

Glück, dass ich ganz schön viel Wechsel in den Wechseljahren bereits geschafft habe. 

Denn als die Welt um mich herum sich drehte, über mir die Sonne und unter mir allerhand vergnügte Leute, da habe ich auf einmal ganz deutlich gefühlt, dass ganz viele der ätzenden Wechseljahre-Meilensteine heute hinter mir liegen. Und dass ich mir schon längst mal bei einer Zuckerwatte hätte auf die Schulter klopfen sollen. Warum machen wir das alle eigentlich nicht? Wäre das nicht wunderbar, wenn wir die gemeisterten Symptome und Hürden der Wechseljahre in so einer Art Bonusheft abhaken könnten wie die Attraktionen in einem Vergnügungspark? 

Die Wechseljahre, oder: die erste Achterbahn, bei der du nie weißt, wann du ein- und aussteigst. 

Ich habe sie so empfunden: das Zaudern mit 45, ob der Karriereweg, in den ich mich selbst getrieben hatte, überhaupt der richtige war. Die tiefe Frustration festzustellen, dass mir das alles überhaupt keinen Spaß mehr macht. Das Hochgefühl, etwas Neues zu starten. Die andauernde Erschöpfung, weil es Hormonen nun mal scheißegal ist, ob ich noch unbedingt die Präsentation fertigbekommen muss oder nicht. Und auch der etwas ungerechte Ärger, weil Männer ab 45 mal wieder klar im Vorteil sind, weil sie nicht mit Zillionen Symptomen zu kämpfen haben. Letztens habe ich gelesen, dass jede zehnte Frau in der Lebensmitte ihren Job hinschmeißt. Den Wechseljahren kann man eben nicht kündigen, nur allem anderen.

Brainfog, Hitze, Selbständigkeit. Was war jetzt noch mal das Symptom?

Die Konzentrationsschwierigkeiten und die Watte im Kopf, die ich am Anfang nie als Wechseljahresymptome erkannt, sondern als persönliche Schwäche abgetan habe. Vergesslich? Dann musst du dich einfach mal mehr anstrengen, Nina! Nur, um die Erfahrung zu machen, dass ich die Wechseljahre nicht durch Disziplin besiegen kann, sondern dann höchstens noch ein echtes Stressproblem kriege. 

Die Erkenntnis mit 50, dass ich gar nicht kämpfen und mich abstressen muss, um glücklich zu sein. Die neue Weisheit, dass Erfolg oft nicht das ist, was wir darunter verstehen. Die Suche nach mir selbst, die noch andauert und zwischenzeitlich überraschende Erkenntnisse bringt. Die Selbständigkeit, die sogar Corona überstanden hat. Die Projekte, dich ich jetzt in meiner eigenen Schnelligkeit (oder auch mal Langsamkeit) angehen kann. Das gute Gefühl, weil zaghafte Auszeiten, bessere Ernährung und Stressreduktion erste Früchte tragen. Das noch bessere Gefühl, weit öfter am Anfang zu sein als am Ende.

Freiheit als Bonus ab 50. 

Ich genieße die Freiheit, dass meine Periode nie mehr wiederkommt und ich ab jetzt in weißen Hosen in die Disco gehen könnte – wenn ich noch Lust hätte so lange aufzubleiben. Die leichten Hitzewallungen, die kommen und gehen, aber eigentlich nie so stark sind, dass sie jemandem auffallen; am allerwenigsten mir selbst. Die Konzentration, die wieder da ist und sich manchmal sogar schärfer anfühlt als mit 20, weil jetzt Erfahrung und Gelassenheit dazukommen. Das Gefühl der Hilflosigkeit, als mein Körper sich ohne meine Erlaubnis verändert und anfängt Dellen und Falten an den unmöglichsten Stellen zu bilden. Von ganz alleine. Ohne Sport. 

Ich werde älter. Erfreulicherweise. 

Das Gefühl nackt vor dem Spiegel zu stehen und die Veränderungen – meistens – anzunehmen, weil die Alternative zum Altwerden immer noch bedeutet, nicht alt zu werden. Wir müssen alle mal aufhören so verdammt perfekt sein zu wollen und verstehen, dass wir es schon sind: atmen, zwei Arme, zwei Beine, zwei Augen, zwei Ohren und alle funktionstüchtig.

Ich liebe die jungen Menschen um mich herum, weil sie anders denken. Mit Ende 40 war die Angst auf einmal da, dass ich einen Job nicht bekomme, weil ich zu alt bin. Und die Erleichterung auch, als die deutlich jüngere Frau in der Agentur meiner Angst mit völligem Unverständnis begegnet und sagt, dass sowas heute ja nun wirklich nicht mehr relevant sei. 

Der schwierigste Teil der Reise ist geschafft. Bei mir waren‘s die Vierziger. 

Kurzum: Diese ganzen Erlebnisse und Veränderungen und Meilensteine auf meinem grandios chaotischen Weg als Frau – die lagen im Sommer auf einmal alle hinter mir. Und ich saß in meinem Sitzchen im Kettenkarussell, spürte die leichte Drehung meines Körpers und den Wind in meinen Haaren und dachte: Scheiß drauf, wie du hier hingekommen bist. Hier wolltest du immer hin.

Und wenn du manchmal auch das Gefühl hast, dich im Kreis zu drehen, dann denk kurz dran: Du hast es bis hierhin geschafft. Zeit, einfach mal die Arme in die Luft zu strecken und die Reise zu genießen.