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Dania König, Sängerin und Autorin.

Kategorie: Role Models
2. September 2020

Dania König ist Sängerin, Songwriterin, Vocalcoach, Stimmtrainerin und Autorin. Sie wurde im Schwarzwald geboren und studierte Jazz- und Popularmusik in Essen und Mannheim. Wenn Dania nicht gerade eigene Songs schreibt, arbeitet und komponiert sie für verschiedene Labels und Künstler. Dania ist mit dem Musiker Dino Soldo verheiratet und lebt mit ihrer Familie auf dem Land in der Nähe von Köln.

Du hier und nicht in Hollywood?

Da wo du hinwillst, komme ich grade her!” Diesen Satz wollte ich schon immer mal anbringen! ?  Hier macht er sogar fast Sinn! Ich WAR in Hollywood. Naja, beinahe … Ich habe drei Jahre lang mit meinem amerikanischen Musiker-Mann in Südkalifornien gelebt, zwischen Santa Barbara und Santa Monica. 

Als eingefleischte Deutsche war mir jedoch vieles zu unsicher, mit drei Kindern und zwei Freiberuflern … 
Zu vieles habe ich vermisst: Jahreszeiten, Krankenversicherung, gute Schulen und deutsches Vollkornbrot … Jetzt, zurück in Deutschland, vermisse ich: Trader Joe’s, den Ozean, unsere amerikanischen Freunde und das gemäßigte kalifornische Dauer-gute-Wetter … 

Tja, man kann eben nicht alles haben.  Aber man kann den Fokus auf das “Alles” legen, was man gerade vor der Nase hat… das habe ich in diesen Jahren immerhin gelernt!

Die Frage, die dir am häufigsten gestellt wird.

“Worum geht es da eigentlich?” wurde ich schon unzählige Male zu unzähligen Songs gefragt, in Interviews, auf Konzerten, am Abendbrot-Tisch. Es ist doch so: Wir Menschen möchten es gern erklärt haben, heruntergebrochen auf eine einfache Formel, konkret, handfest, eine Quintessenz. Egal, ob es sich um Musik handelt, ein Gemälde, ein Gedicht, ein Theaterstück, einen Tanz, eine Skulptur …

Neulich las ich in einem Buch von Amos Oz einige Sätze, die ich sehr treffend fand: “Der schlechte Leser kommt und fordert mich auf, die Geschichte, die ich geschrieben habe, für ihn zu schälen. Verlangt, ich solle eigenhändig meine Trauben in den Mülleimer werfen und ihm nur die Kerne vorsetzen.”

In einem Satz möchten viele Menschen gern erklärt haben, woran ein Künstler wochen- oder monatelang gearbeitet hat. Das funktioniert so aber nicht in der Kunst, ebenso wenig im Leben oder in der Liebe. Ich finde: Es ist nicht nur schwer, diese großen Lebensthemen kurz zusammenzufassen, es ist oft unmöglich und manchmal sogar gefährlich … Noch einmal Amos Oz: “Wer den Kern der Geschichte im Verhältnis zwischen Werk und Autor sucht, der irrt: man sollte ihn nicht im Verhältnis zwischen dem Text und seinem Verfasser suchen, sondern in dem zwischen Text und Leser.” Aha! Wir spielen den Ball zurück! 

Deshalb frage ich inzwischen auf die Frage nach der Bedeutung eines Songs oder Textes einfach den Fragenden: “Was bedeutet es denn für dich?” Die unfassbarsten Gedanken und Geschichten höre ich daraufhin, und es ergeben sich tiefe und spannende Gespräche.

Hast du schon mal ein Gedicht geschrieben?

Dauernd. Ich habe schon im Grundschulalter Kladden gefüllt mit Gedichten und Geschichten. Und dann fing ich an, meine Gedichte zu vertonen. Songwriting nennt man das. Und schließlich habe ich dieses Jahr meinen Traum vom Buch verwirklicht: da sind sozusagen Gedichte drin, die sich nicht reimen.  Will heißen: Ich übe schon mein Leben lang, Wunder in Worte zu verpacken. 

Kümmerst du dich um deine Rente?

Wunder Punkt, wunder Punkt, wunder Punkt! Man sagt mir nach, dass ich das Klischee des verstrahlten Künstlers erfülle, wenn es um Marketing und vorausschauendes finanzielles Planen geht … 

Auf was kannst du verzichten? 

Auf meine Rente, offensichtlich …

Welches Vorurteil deiner Branche erfüllst du?

… sprachen wir nicht gerade davon …?

Wolltest du als Kind schon so sein?

Ich wollte es nicht nur, ich war es auch – nur in einer besseren Version: Ich hatte schon als Kind irrsinnig vielseitige Interessen. Ich habe mir Instrumente beigebracht, mir Hörspiele ausgedacht und aufgenommen, ich habe gesungen, getanzt, gemalt, gelesen. Ich liebte es, Rollschuh zu fahren (und gleichzeitig zu singen), ich interessierte mich sehr für die Natur und Tiere, verbrachte Stunden auf dem Baum in unserem Garten und hing meinen Gedanken nach. 

Im Gegensatz zu heute hatte ich damals allerdings nie das Gefühl, dass meine Zeit nicht reicht. Meine Arbeit und meine Interessen sind heute noch genauso vielfältig, allerdings habe ich dauerhaft den Eindruck, dass ich, während ich das eine tue, das andere vernachlässige.

Wenn ich so darüber nachdenke, dass meine Kindheit genau so gefüllt war wie mein Leben jetzt, nur MINUS die Angst, nicht genug Zeit für alles zu haben, wird mir eines bewusst:
Viele Interessen, viele Dinge, die ich tun oder wissen wollte, haben mich damals nicht gestresst, weil ich voll und ganz eintauchte in das, was ich tat.

Ich hatte Lust an dem, was in diesem Moment meine Wahl war und verschrieb mich mit Haut und Haar, Herz und Verstand. Für diesen Moment, ohne an den nächsten zu denken.

Heute: Multitasking! Ich kann gleichzeitig zu Mittag essen und einen Text schreiben, während unten im Keller die Waschmaschine läuft, das Brot im Backofen backt und ich im Kopf eben aufliste, was heute unbedingt noch erledigt werden muss. Wenn ich komponiere, räume ich zwischendurch mal die Küche auf oder beantworte E-Mails. Überhaupt muss niemand, der mir SMS schreibt, lange auf eine Antwort warten. Ich kann gleichzeitig einen Großputz veranstalten, meine Kinder bei den Hausaufgaben betreuen, einen Text übersetzen, der miauenden Katze die Tür öffnen und die Post sortieren. Mein Gehirn kann das, meine Hände und Beine machen mit – aber nicht mein Herz. Nicht meine Seele. Die kann nur sein, wo mein Herz ist, und das ist oft zerrissen zwischen Kindern und Karriere, Haushalt und Musik, meiner To-Do-Liste und der Sehnsucht nach Stille.

Während ich eine Sache mache, bin ich mir gleichzeitig sehr bewusst, dass es 20 andere Dinge gibt, die ich gerade NICHT mache.

Heute, weiser und klüger (???), muss ich also wieder neu einüben, was mir als Kind klar war, ohne dass es mir jemand sagen musste: … dass ich genügend Zeit habe, in jedem mir gegebenen Moment, und dass all diese Gedanken und Gefühle von Knappheit zuerst in meinem Kopf existieren, bevor sie sich in meinem Leben manifestieren. Dass dieser Moment – JETZT – alles ist, was wirklich wichtig ist. … und dass Blaise Pascal absolut recht hat: “Die Weisheit führt uns zur Kindheit zurück.