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Letztens bin ich nach Berlin gefahren und habe mir am Bahnhof ein Buch für die Reise über eine Reise gekauft. Für mich hat der Besuch in Bahnhofsbüchereien immer ein bisschen was von einer Schatzsuche, und diesmal bin ich mit einem echten Juwel herausgekommen:
Bezaubernde Geschichte über Träume, Mut und Freundschaft.
MISS BENSONS REISE von Rachel Joyce ist die Geschichte zweier Frauen, die sich ans andere Ende der Welt aufmachen, um einen kleinen goldenen Käfer zu suchen und dabei auch gleich ihre Bestimmung, neuen Mut und mehrere Koffer voller Freiheit zu finden. Und vor allem ist es die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft zwischen zwei Frauen, die ungleicher nicht sein könnten und sich gegenseitig einige wesentliche Wahrheiten beibringen. Allen voran die, dass das Leben deutlich lebenswerter und amüsanter ist, wenn man bereit ist ein paar Wagnisse außerhalb der eigenen Komfortzone einzugehen.
London, 1950.
Die Stadt liegt nach dem zweiten Weltkrieg noch halb in Schutt und Asche, als Miss Margery Benson aus einem Impuls heraus beschließt ihre sichere Stelle als Hauswirtschafts-Lehrerin an einer Mädchenschule aufzugeben, um sich in ein Abenteuer sondergleichen zu stürzen.
Bereits seit ihrer Kindheit träumt Margery davon nach Neu-Kaledonien zu reisen und dort einen legendären, vermutlich nur dort angesiedelten goldenen Käfer zu finden. Als ihr ein dummer Kinderstreich die eigene, geradezu armselig ereignis- und perspektivlose Existenz vor Augen führt, bekommt die ledige Mittfünfzigerin einen regelrechten Mut-Ausbruch und fängt an eine wissenschaftliche Expedition zu planen, obwohl bereits das normale Leben sie latent überfordert. In geklauten Schuhen und mit unglaublich viel theoretischem Käferwissen im Gepäck macht Margery sich auf, zunächst einen adäquaten Expeditions-Assistenten in London und dann das legendäre Krabbeltier im südlichen Pazifik, 1500 Kilometer östlich von Australien zu finden.
Wer wagt sich schon auf eine solche Reise?
Enid Pretty ist vieles: eine Quasselstrippe, enervierend lebenslustig, hinreißend naiv, mit jeder Kreatur sofort befreundet, eine aufreizende Erscheinung – aber eine adäquate Assistentin für eine naturkundliche Expedition nach Neu-Kaledonien ist sie sicher nicht. Trotzdem bringt das Schicksal die beiden Frauen zusammen, und Margery beschließt in Ermangelung einer Alternative notgedrungen, mit der quirligen, in ein enges rosa Kleid gepressten Enid als Assistentin vorlieb zu nehmen. Dass ihre neue Begleitung nicht ganz ehrlich ist und unbedingt aus London wegmöchte, bemerkt die herablassende Margery, die lieber Käfer als Menschen beobachtet, anfangs gar nicht.
Bewegend, lustig, überraschend.
Bereits die Schiffsreise nach Australien ist eine absolute Katastrophe, die an Situationskomik jedoch kaum zu überbieten ist. Während Margery vor Seekrankheit sogar zeitweise ihre mürrische Distanziertheit aufgeben muss, entpuppt sich Enid als wahre Lebenskünstlerin, wenn es darum geht unvorhergesehene Situationen zum Guten zu wenden. Zumindest zu dem, was Menschen wie Enid unter „gut“ verstehen. Und so beginnen die Frauen langsam aber sicher, die Vorzüge der anderen zu schätzen, noch bevor sie Neu-Kalendonien erreichen. Denn beide machen immer genau das, wozu die andere im Leben nie den Mut (und die Dummheit) besessen hätte.
MISS BENSONS REISE ist ein Glücksgriff und ein hinreißend originelles, bewegendes Buch.
Die beiden liebevoll verschrobenen Charaktere waren mir bereits nach ein paar Seiten richtig ans Herz gewachsen, dazu kommen der typisch britische Humor und ein ganzes Füllhorn an abenteuerlichen Wendungen. Im Verlauf der Geschichte habe ich mehrfach laut auflachen müssen. Was mich allerdings noch stärker gepackt hat als der allgegenwärtige Sprachwitz ist die bewegende Wahrheit, dass es oft genau der Mensch ist, der dir so gar nicht ähnelt, der dich am Ende am besten versteht. Und so habe ich mich unglaublich gerne mit zwei von Mücken zerstochenen, genervten, verzweifelten, unglaublich mutigen Frauen durch das Dickicht ihrer Träume geschlagen. Klare Lese-Empfehlung!
Zur Autorin & zur Übersetzung
Rachel Joyce wurde für ihre Werke wie beispielsweise DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY mehrfach ausgezeichnet. Sie war u.a. Schauspielerin bei der Royal Shakespeare Academy und ist Autorin zahlreicher BBC Hörspiele. Maria Andreas übersetzt neben Rachel Joyce auch Belletristik von Rebecca Done und Louise Millar.