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Kategorie: Mindset

Meine Mutter sagt, ich soll Lehrerin werden.

27. August 2020

Meine Mutter sagt, ich soll Lehrerin werden. Das ist selbst bei Pandemien ein todsicherer Beruf. Sie hat sich auch umorientiert, damals, als wir noch klein waren. Und schließlich wäre das ja gar nicht so der große Unterschied.

Ja, das Lehramt ist ein ehrenwerter Beruf. Es ist nur eben nicht meiner. Unwillkürlich muss ich an ein paar Textzeilen aus meiner Jugend denken: „Could you tell me, what your job is?“ , „Right now, my job is eating these donuts.“ Pistolenschüsse, Musik. 

Ja, Mann, was ist eigentlich mein Job?

Wenn wir uns zur Begrüßung die Hand geben könnten, würde ich sicher sowas sagen wie: „Ich bin die Nina, und ich bin Freelance-Werbetexterin“. Eigentlich müsste ich sagen: “Ach, weißt du, ich schreibe. Egal was. Hauptsache, es steht am Ende in Schwarz auf Weiß da und – ich weiß auch nicht – atmet”. Dass ich inzwischen gut davon leben kann, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Denn im Gegensatz zu Beethoven habe ich das Glück, dass man mich schon zu Lebzeiten ganz gut in einer Werbeagentur gebrauchen kann.

Mein Mann, von Beruf Profi-Bassist, hat letztens über seinen Job gesagt, dass er schlicht und ergreifend nichts anderes kann (meine Mutter sagt, er soll Musiklehrer werden, die werden aktuell gesucht). Ich würde das bei mir (und ihm) viel drastischer ausdrücken:

Ich BIN schlicht und ergreifend nichts anderes.

Und man kann vielleicht mal eben so etwas anderes machen, aber man kann (und sollte) nicht, nur weil draußen auf einmal alle mit Masken rumrennen, jemand anderes sein.

Nun ist das, was ich mache, zudem noch recht kreativ, und kreativ verstehen viele Leute nicht. Etwas, das nach Spaß aussieht, ist in Deutschland sowieso nichts Ernstzunehmendes. Vielleicht könnte der Kreative zu Corona-Zeiten ja sogar endlich einmal etwas Wichtigeres machen, was Relevantes, Krisensicheres, Solides, besser zu Kontrollierendes und Verständliches – auch für die Massen und die Mütter.

Und so gerät man als Kreativer aktuell im Vergleich zum Hirnchirurgen auch nach über 20 Jahren Berufserfahrung in Gespräche, in denen man mit irgendwelchen Hobbyspacken, die sonntags im Siebdruck Servietten für den nächsten Kindergeburtstag zusammenklöppeln, auf eine Stufe gestellt wird. „Achja, ich schneid am Wochenende auch so gerne Leute auf, aber kannst du denn davon leben?“. Stell sich einer das mal vor.

Fakt ist: Es gibt Menschen wie mich, die haben sich für das Schreiben entschieden, weil das Schreiben sich für sie entschieden hat. Andere haben sich für das Singen oder Komponieren, das Spielen, Malen oder Tanzen entschieden. 

Alle sind gut so, wie sie sind. Keiner davon hat aus Arroganz, Langeweile oder weil gerade nichts Besseres da war gehandelt. Alle haben zehntausende Stunden geübt und gelernt, um einen Beruf auszuüben, der genau wie andere respektable Berufe so schwer ist, dass man ihn eigentlich pausenlos ausüben muss, um ihn ausüben zu können.

Sie alle sind verrückt genug, um etwas zu tun, das man nur auf der Gefühlsebene begreifen kann, und das macht es so wertvoll für uns alle. Also sagt uns nicht, dass wir was anderes machen sollen. Sagt uns einfach, dass wir weitermachen sollen. Das wär doch schon mal was.