Die letzten paar Wochen war ich auf Norderney. Nein, nicht in echt, sondern in Gedanken: Die Seebad–Krimis von Elsa Dix entführen ihre Leser:innen ins Norderney des beginnenden 20. Jahrhunderts und sind die perfekte, leichte und echt spannende Unterhaltung für den Sommer. Also schnell in den Koffer packen und freuen!
Super Urlaubslektüre. Historie, Hitze, Liebe, Mord.
Im Wesentlichen geht es in beiden Bänden um ein ungleiches Paar, das entgegen aller Konventionen der damaligen Zeit spannende Mordfälle löst. Dabei zeichnet die Autorin ein so klares Bild des schicken Seebads und Zeitgeistes, dass es eine wahre Freude ist, der mondänen Juristentochter Victoria und dem einfachen Journalisten Christian im Laufschritt über die Insel zu folgen.
Die Kulisse: eine Postkarte aus der Belle Epoque.
Norderney ist derart reizvoll und lebensecht beschrieben, als hätte mir jemand eine Postkarte mit Grüßen aus dem Jahre 1912 in die Gegenwart geschickt. Ich sehe sie förmlich vor mir, die (buchstäblich) betuchten Badegäste in ihren geringelten Badekleidern, die ihre Kultiviertheit auch am Strand zur Schau tragen. Der Adel genießt ungestört die Sommerfrische, und so manche Baronesse entkommt hier ihrer täglichen Tristesse.
Selbstverständlich bleibt man unter sich und rümpft schon über einfache, wenn auch stinkreiche Geschäftsleute die Nase; und dann wäre da ja auch noch der lästige Reporter Christian Hinrichs, der eigentlich für eine Modeillustrierte ein paar Eindrücke des sommerlichen Treibens einfangen soll – und gleich am ersten Tag seines Aufenthalts über eine Leiche stolpert.
Die Figuren: echt entzückend.
Und so lernt Christian auch Victoria Berg kennen, vorwitzige Tochter aus gutem Hause, die für ein Kind aus dem Großbürgertum nahezu subversive Ansichten vertritt und emanzipiert genug ist, um ohne Anstandsdame zu verreisen. Die Tochter eines Staatsanwalts hat die damals für ihren Stand absolut verrückte Idee, einen Beruf ergreifen zu wollen und strebt eine Lehrerinnen-Ausbildung an. Sei es drum: Der Hamburger Schlachterssohn Christian ist natürlich kein Umgang für sie, was der sympathischen weiblichen Hauptfigur aber natürlich echt am Rüschenarsch vorbeigeht.
Die beiden tun sich zusammen, verlieben und streiten sich, er rollt ab und zu mit den Augen und sie isst Moccatorte in Cafés mit Ausblick aufs Meer. Die Mordfälle in beiden Bänden sind richtig spannend und auch ein bisschen verzwickt, die Figuren formidable gestrickt. Man merkt mit jeder Zeile, wie verliebt die Autorin, die laut Klappentext jede freie Minute auf Norderney verbringt, in diese Insel ist. Und das ist ganz schön ansteckend.
Fazit: lesen und auf die Insel wegträumen!
Fast genauso spannend wie die beiden Kriminalfälle fand ich die Vielfalt an Details, die beide Bücher zum Lichtblick unter den Historienkrimis macht. Und so war die einzige Ablenkung, dass ich ab und zu mal gegoogelt habe, was ein Badehaus ist, wie die Flanierpromenade 1912 aussah und wo man sich zur Kaiserzeit am besten den Seewind um die Nase hat pusten lassen.
Fazit: Sowohl Band 1 (DIE TOTE IN DER SOMMERFRISCHE: eine tote Dienstmagd am Strand, die offenbar zu viel über die Geheimnisse der feinen Gesellschaft wusste) als auch Band 2 (DER TOTE RITTMEISTER: ein Mord und ein verschwundenes Kind vor der Kulisse des kaiserlichen Thronjubiläums) sind ein großes Vergnügen. Absolut empfehlenswert für alle, die sich leicht, facettenreich und gut durch den Sommer lesen wollen!