AFFILIATE LINKS*
Jeder von uns hat nur eine einzige Geschichte von Bedeutung zu erzählen. Nur diese eine ragt letzten Endes wie eine Klippe aus der Brandung aller Ereignisse heraus und prägt unser ganzes Leben. Und immer ist es eine Liebesgeschichte:
In Julian Barnes’ DIE EINZIGE GESCHICHTE schildert Paul aus der Perspektive des 19jährigen Mannes, der er einmal war, seine Geschichte – die Begegnung mit der 48jährigen Susan im Tennisclub eines wohlhabenden Londoner Vororts der Sechzigerjahre. Vielleicht ja auch dort, wo der 1946 geborene, international ausgezeichnete Bestseller-Autor Barnes selbst aufgewachsen ist. Was als gemischtes Doppel beginnt, wird schnell eine Komplizenschaft gegen die vom Krieg ermüdete, auf Sicherheit bedachte Gesellschaft.
„Eine Komplizenschaft, durch die ich ein bisschen mehr ich selbst wurde und sie ein bisschen mehr sie selbst.“
Im Laufe der Erzählung entwickelt sich zwischen den Komplizen eine Liebesgeschichte, dann eine Lebensgeschichte, die so wortgewaltig daherkommt, dass man sich ihr kaum entziehen kann. Paul indes beginnt die Liebesgeschichte mit der Klarheit und Verachtung eines Neunzehnjährigen, der angeekelt auf die innerlich verrottete Erwachsenenwelt herabblickt und denkt alles sei möglich, wenn man nur die Liebe und den Mut dazu besitzt.
„Ich war 19 und ich wusste, dass die Liebe unvergänglich ist, dass die Zeit ihr nichts anhaben und kein Schatten sie trüben kann.“
So holt er auch die leichtfüßige, lachende, sanfte Susan aus ihrer Wohlstandsverwahrlosung und später ihrer Ehe heraus. Übermütig und mit dem jugendlichen Gefühl der Überlegenheit, das so kompromisslos wie anziehend wirkt. „Die Illusion, dass Liebende außerhalb der Zeit stehen“, hat sich allerdings schnell erledigt, und die Zeit zeigt, dass zwischen Glück und Liebe leider so gar keine Kausalität besteht bzw. das eine nicht die logische Konsequenz der anderen ist.
Das Buch hat drei Teile, die ich für mich mit „Liebe“, „Erwachen“ und „Erinnern“ überschreibe. Offensichtlich ein wiederkehrendes Strukturelement in Barnes‘ Romanen. Jeder Teil ist poetisch, manchmal anstrengend und meiner Meinung nach doch meisterhaft in seinem Temperament oder auch seiner Verzweiflung.
„Jede Liebe ist eine Katastrophe, wenn man sich ihr voll und ganz hingibt.“
Am Ende ist man zwar geneigt zu unterschreiben, dass jede Liebe auf ihre Art katastrophal endet. Aber man will keinem so recht die Schuld geben, vielleicht auch deshalb, weil man keinen Knall gehört, sondern nur das Aufgeben am Ende gespürt hat. Also bleibt die Frage vom Anfang:
„Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.“
Ein beeindruckendes, unumgängliches, auch verzweifeltes, klares Meisterwerk.